Morgen…

Niemals, solange auch nur einhundert von uns überleben, wird man uns zu welchen Bedingungen auch immer unter englische Herrschaft zwingen. Wahrlich und wahrhaftig, wir kämpfen weder für Ruhm, Reichtum oder Ehren, wir kämpfen für die Freiheit – das Einzige, das ein ehrenhafter Mann nicht einmal um seines Lebens Willen aufgibt.

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Royal Chapel von Holyrood, Teil 2

Die uns zugekehrte Front, ein Turm und ein Portal, sind verhältnismäßig gut erhalten und geben am deutlichsten Zeugnis für die nicht gewöhnliche Schönheit des Kapellenbaues, der sich einstens hier erhob. Eintretend haben wir einen nach allen vier Seiten hin geschlossenen Raum vor uns, das Dach ist eingestürzt, und der Fußboden gleicht einem Kirchhof: ein Rasenstück, aus dem sich zahlreiche Grabsteine erheben. Umschau haltend, wächst das Interesse, solange wir unsere Aufmerksamkeit auf die Fülle des Details richten, das entweder durch Alter und Eigentümlichkeit oder, bei Schöpfungen einer späteren Epoche, durch Schönheit imponiert. Von dem Augenblick an aber, wo wir Miene machen, uns in dem Ganzen zu orientieren, sind wir verloren und bezahlen unsere Wißbegier mit immer wachsender Unruhe. Wir fordern etwas, was uns die Dinge nicht mehr gewähren können. Vielfach zerstört und geschädigt, teilweise niedergerissen, um den Neubauten des Palastes Platz zu machen, schließlich unter die Hände eines pietät- und kenntnislosen Architekten geraten, gleicht das Ganze nur noch einem willkürlich zusammengesetzten Scherbenmosaik.



Royal Chapel von Holyrood

Neben demselben, aber etwas zurückgelegen, so daß beide Baulichkeiten nur an einer einzigen Ecke statt mit ihren vollen Seiten zusammentreffen, erhebt sich eine Ruine: die Royal Chapel von Holyrood, das einzige Überbleibsel jener reichen und stolzen Abtei, die hier mit ihren Klosterhöfen, ihrer Kapelle und ihren Gärten weite Morgen Landes bedeckte. Lange bevor es einen Holyrood-Palace gab, gab es eine Holyrood-Abtei. David I. von Schottland, der fromme Gründer der Abteien von Melrose und Kelso, gründete auch diese Abtei von Holyrood (um 1150), und erst 350 Jahre später begannen neben derselben sich jene schlichten Mauern und Türmchen zu erheben, die in ihrer damaligen äußerst begrenzten Ausdehnung kaum den Namen eines Palastes beanspruchen konnten. Es war ein Schwalbennest, das sich, wie Schutz suchend, an die stattliche alte Abtei anklebte. Seitdem ist diese zu einer Ruine geworden, während der Palast ihr mit der Hälfte ihres Raumes zugleich das Ganze ihres Ruhmes genommen hat. Die Abtei hat längst aufgehört, eine Pilgerstätte zu sein, der Palast ist es geworden, und die wenigsten unter den Tausenden, die dieser Stätte zuströmen, haben eine Ahnung davon, daß Wand an Wand mit dem Palaste von Holyrood noch eine gleichnamige Abtei ihrer harrt.



Edinburgh

Aus „Jenseit des Tweed“ von Theodor Fontane zitiert und mit meinen Bildern aus Schottland verknüpft. Wenn ich mich aufraffen kann, folgen noch mehr Beiträge dieser Art.

Waterloo-Place und Princes-Street bilden eine einzige grade Linie, von der Edinburg in ähnlicher Weise durchschnitten wird wie etwa Paris von der Rue Rivoli. Die große Mittelader der schottischen Hauptstadt sondert sich gleich auf den ersten Blick in drei Teile von ziemlich gleicher Größe, in zwei Flügel und ein Zentrum. Der eine Flügel heißt Waterloo-Place, der andere West-Princes-Street; die halb boulevard-, halb platzartige Erweiterung aber, die zwischen beiden liegt, führt den Namen der eigentlichen Princes-Street. Dieser platzartigen Erweiterung gehen wir jetzt entgegen und nehmen in der Mitte derselben unseren Stand, genau da, wo sich das im gotischen Stil ausgeführte, turmartige Monument Walter Scotts bis zu einer Höhe von 200 Fuß erhebt.

Walter Scott Monument